Mercedes-Benz GL-Klasse: Ich bin ein Amerikaner

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Weisser Mercedes-Benz GL 500 Blue Efficiency auf Amerikanischen Strassen

Amerika, das Land des unbegrenzten Wunderns: Allein schon in New Mexico die Altrocker im Städtchen Madrid, Spielcasinos und Indianerland, Sprit für 70 Eurocent den Liter, Alternative in Earthship mit autonomen Häusern (die Europaversion für 369 000 US-Dollar), deren Achtzylinder-Trucks, halbe Häuser auf Tiefladern, weite Prärie und mittendrin der Mercedes-Benz GL, der große Geländewagen der Stuttgarter, gebaut im US-Bundesstaat Alabama.

Bildergalerie: Mercedes-Benz GL-Klasse

„Hier gehört er hin“, sagt einer der Entwickler jetzt bei der Vorstellung der zweiten Generation der siebensitzigen Gelände-Luxus-Hochlimousine in Santa Fe, und meint damit nicht nur den US-Bundesstaat New Mexico, sonder die kompletten Vereinigten Staaten. Im vergangenen Jahr wurde sein Vorgänger in den USA rund 25 000 Mal verkauft. Damit ist der Mercedes im Mutterland der großen SUV in seinem Segment mit Abstand Marktführer, natürlich als Achtzylinder-Benziner mit fünf Litern Hubraum.

Motoren

In Deutschland, wo die US-Stückzahl nicht einmal annähernd erreicht wird, hat der Diesel die Nase vorn, als Sechszylinder im Mercedes-Benz GL 350 GL Blutec 4Matic zum Basispreis von 72 471 Euro. Mit dem GL 500 4Matic Blue Efficiency für 94 605 Euro bieten die Stuttgarter hierzulande auch einen Achtzylinder-Benziner an. Erstmals wird es nun mit dem GL 63 AMG für 130 305 Euro auch eine Version aus Afalterbach geben, die mit 410 kW / 557 PS und allen Kennzeichen der Performance-Marke des Konzerns eher weit östlich von Stuttgart Freunde finden wird, wo der AMG-Zwölfzylindern in der alten G-Klasse immer noch viele Abnehmer findet.

Fahrleistungen

Gegen die Leistungsdaten des AMG-GL nehmen sich die des GL 350 Bluetec fast bescheiden aus, obwohl sich der mit seinen 190 kW / 258 PS auch nicht gerade untermotorisiert anfühlt. Er schwingt seine Masse in nicht einmal acht Sekunden von 0 auf 100 km/h und erreicht eine Höchstgeschwindigkeit von 220 km/h. Auf der Hochebene von New Mexico und bei Höchstgeschwindigkeiten auf dem Highway von maximal 110 km/h ließ sich kein Verbrauchswert feststellen, der zu mitteleuropäischen Verhältnissen passt. Wir hatten den Eindruck, dass wir eher unter dem angegebenen Durchschnittsverbrauch von 7,4 bis acht Litern auf 100 km blieben. Der aktuelle Normverbrauch des Bluetec-Motors (SCR) mit Harnstoffeinspritzung liegt übrigens um 20 Prozent unter dem des alten und erfüllt bei den Emissionen bereits die Euro 6.

Abmessungen

5,12 Meter Fahrzeuglänge, 1,93 Meter Breite und 1,85 Meter Höhe – das sind wahrhaft amerikanische Maße, mit denen sich der GL nicht von den anderen großen Amis abhebt. Obwohl er leer fast 2,5 Tonnen wiegt, zählt er in den USA in seiner Klasse aber noch zu den Leichtgewichten. Die Amis bringen schon mal eine halbe Tonne mehr an den Start und brauchen ein zusätzliche Liter.

Innenraum

Der neue GL will mehr noch als die erste Generation das Niveau der S-Klasse beim Komfort und besonders bei den Geräuschen erreichen. Das erweist sich dank steifer Karosserie, Feinarbeiten an der Aerodynamik und neuen Isolierungen als nicht übertrieben. Ob Diesel oder Benziner – innen kommt so gut wie kein Fahrgeräusch mehr an. Dafür umgibt einen im Innenraum nun mehr noch als beim Vorgänger das für die Limousinen typische Mercedes-Benz-Ambiente. Vorbei die Erinnerung an die Geschichte der G-Klasse als Nutzfahrzeug, die man beim Vorgänger noch erahnen konnte. Jetzt steigt man in eine Luxus-Limousine ein, sitzt allerdings deutlich höher und hat eine bessere Sicht nach allen Seiten als bei so manchem modernen Aspahltrutscher.

On&Offroad-Paket

Geländetauglich ist der GL auch noch, erst recht, wenn man das On&Offroad-Paket für 2261 Euro erwirbt. Dann stehen sechs Fahrprogramme zur Verfügung, eine 100-Prozent-Sperre am Mitteldifferenzial, Geländereduzierung, Unterschutz für den Motor, verstärkter Unterboden, drei Niveaus für die Luftfederung und eine spezielle Gelände-Software für ABS und ESP. Das Paket wird sicher gekauft werden, obwohl auch schon die Serienversion mit kurzen Überhängen, großen Böschungswinkeln und einer Wattiefe von 50 Zentimetern erstaunlich geländetauglich aufgestellt ist. Der Trend geht auch in dieser Fahrzeugklasse zur Vollausstattung, selbst wenn kaum jemand seinen schönen GL ins harte Gelände treiben wird. Aber man könnte, wenn man wollte. Und warum sollte man das nicht zeigen.

Ausstattung

Ähnliches lässt sich auch über die anderen Möglichkeiten für zusätzliche Ausstattungen sagen. Möglichkeiten gibt es viele, auch wenn schon die Einstiegsversion des GL 350 mit umfangreicher Ausstattung protzen kann: Die Luftfederung und die 7G-Tronic Plus-Automatik sind ebenso an Bord wie Direktlenkung, elektrisch verstellbare Sitze, Polsterung und Instrumententafel-Oberteil in der Ledernachbildung Artico, Klimatisierungsautomatik mit zwei Klimazonen, Schaltpaddel am Multifunktionslenkrad, elektrisches Schiebedach, LED-Tagfahrlicht, Pre-Safe-System, dem neuen Seitenwind-Assistenten, der Kollisionswarnung Collision Prevention Assist, Müdigkeitswarner und elektrischer Heckklappe.

Zusätzlich zu den Komfort- und Sicherheitssystemen, wie sie für die Oberklasse üblich sind, kommen beim GL erstmals ein aktiver Parkassistent hinzu, der mit einer 360-Grad-Kamera kombiniert wird. Das ermöglicht das automatische Ein- und Ausparken oder das millimetergenau Rangieren, bei dem der Bildschirm das Fahrzeug und seine Umgebung von oben zeigt. Im Paket kostet beides 1654,10 Euro extra.

Eindruck

Nach vielen Stunden an Bord des neuen GL waren wir uns einig: Wir beneiden die Amerikaner nur ein bisschen um den Achtzylinder-Benziner. Wir fanden den Diesel überzeugend, das niedrige Geräusch- und das hohe Komfortniveau an Bord beeindruckend. Aber wir erlebten auch bei diesem Siebensitzer mit dem Schema 2-3-2 wieder, dass die in der dritten Sitzreihe nicht zu beneiden sind. Wir sehen den GL als großzügig geschnittenen Fünfsitzer mit Laderaum für die große Familie und mit zwei zusätzlichen Sitzen. Die lassen sich zwar elektrisch versenken und aufrichten, bieten mehr Platz und mit dem aufpreispflichtigen elektrischen Easy-Entry-System auch einen bequemeren Einstieg, und doch werden sie Niemandes Lieblingsplatz werden. Die Chance hätte die zweite Sitzreihe gehabt, wenn man sie verschiebbar ausgerüstet hätte. So liegen der Fahrer- und der Beifahrersitz auch bei dieser Wertung nicht nur im Wortsinn ganz vorn.

Der GL nimmt einem rasch die Sorge vor seiner Größe. Selbst der Wendekreis von immerhin 12,20 Metern verhindert sich, dass man den Umgang mit dem großen G rasch als mühelos empfindet. Motor, Automatik, Federungen, Lenkung, die geringen Fahrgeräusche und der Komfort lassen den Eindruck von Größe in den Hintergrund treten. Sie wird nicht als Bedrohung, der GL dafür aber als sicherer Hort erlebt. Das Auto als Burg – das ist eine Empfindung, die viele Amerikaner teilen. Kann man sich’s leisten, fährt die Mutter in der Familie das große SUV, auch die alternative Mutter aus Earthship, der Sicherheit wegen. (ampnet/Sm)

Von Peter Schwerdtmann

Technische Daten: Mercedes-Benz GL 350 Bluetec 4Matic

Länge x Breite x Höhe (m): 5,12 x 1,93 x 1,85
Motor: V6-Diesel, 2987 ccm, Common Rail, Turbo, Direkteinspritzung
Leistung: 190 kW / 258 PS bei 3600 U/min
Max. Drehmoment: 620 Nm zwischen 1600 und 2400 U/min
Durchschnittsverbrauch (nach EU-Norm): 7,4 bis 8,0 Liter
CO2-Emissionen: 192 bis 209 g/km (Euro 6)
Höchstgeschwindigkeit: 220 km/h
Beschleunigung 0 – 100 km/h: 7,9 Sek.
Leergewicht / Zuladung: 2455 kg / 795 kg
Kofferraum: 680 bis 2300 Liter
Max. Anhängelast: 3500 kg
Räder / Reifen: 8J x 18 H2 / 265/60 R18 V
Wendekreis: 12,2 m
Bodenfreiheit (Airmatic ADS): 276 mm
Böschungswinkel (vorn / hinten) 30 ° / 25°
Steigfähigkeit: 80 Prozent
Kippwinkel: 35°
Wattiefe: 500 mm
Basispreis: 72 471 Euro

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Die Seite "Mercedes-Benz GL-Klasse: Ich bin ein Amerikaner" wurde am 27. Juli 2012 veroeffentlicht und am 2. Dezember 2013 zuletzt aktualisiert.