Kommentar: Wie glaubwürdig sind Verbrauchswerte ?

Zumindest jeder Autofahrer weiß, dass die offiziell von den Herstellern angegebenen Verbrauchswerte nach NEFZ graue Theorie sind, da sie im Prinzip unter Laborbedingungen zustande kommen, die jeder Realität Hohn sprechen. Ginge es nach selbsternannten Umweltschützern ist daran die Auto-Industrie Schuld und erst im zweiten Anlauf wird eingeräumt, dass die Verbrauchs-Ermittlungsmethode „Neue Europäische Fahrzyklus“ (NEFZ) gesetzlich vorgeschrieben ist, die u. a. auch vorschreibt, dass die spritfressende Klimaanlage ausgeschaltet bleibt.

Hans H. Grassmann über den Kraftstoffverbrauch

Hans H. Grassmann ist Mitglied der Redaktions-Leitung von Auto-Reporter.NET

Doch dadurch lassen sich die Kritiker der Hersteller nur kurz irritieren. Weitere Vorwürfe folgen prompt: Manipulation unter anderem durch einen erhöhten Reifenluftdruck oder eine höhere Außentemperatur im „Labor“ würden von der Industrie bewusst angewendet, um die Ergebnisse zu beschönigen. Einen Beweis dafür hat nach Wissensstand des Schreibers noch niemand angetreten. Dafür mögen etwas jüngere Mitmenschen vielleicht nicht wissen, dass viele, viele Jahre vor Einführung der NEFZ fast ausschließlich alle Verbrauchsmessungen – nicht nur der deutschen Hersteller – auf einer Spezialstrecke in der Nähe vom spanischen Cadiz und sogar in Marokko stattfanden.

Doch zurück zur aktuellen Diskussion, die nach der Veröffentlichung einiger Studien und einem größer angelegten Verbrauchstest des Automobilclubs ACE schon etwas verfrüht zum Sommer-Ereignis 2013 zu werden droht. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Autos in sogenannten Praxistests nun im Schnitt mehr als 25 Prozent oder wie beim ACE „nur“ 13,4 Prozent mehr verbrauchen. Offen gelegt hat noch niemand, ob alle und wirklich alle kontrollierten Fahrzeuge auf der sicherlich realistischen Teststrecke von ein und demselben Fahrer pilotiert wurden. Und das natürlich bei exakt gleichen Temperaturen, Verkehrsverhältnissen und Windbedingungen. Alles klar – geht nämlich nicht.

Deswegen dienen Trittbrett-Beiträge wie im Stern-tv am 31. Mai nicht unbedingt zur Erhellung. Dort treten ein Audi und eine Mercedes A-Klasse zu einer knapp 200 km langen „Testfahrt“ an und es tut sich erstaunliches. Während der Audi statt 3,81 4,971 Liter und damit 30,75 Prozent mehr Sprit als angegeben verbraucht, unterbietet die A-Klasse den Normwert von 4,41 Liter auf 100 Kilometer mit 4,28 Liter um 2,73 Prozent. Beim ACE-Test gab es immerhin noch einen Mehrverbrauch um 20,5 Prozent. Vorausgesetzt, es hat sich um die gleichen A-Modelle gehandelt, was leider auch aus der äußerst schnell verschickten Pressemitteilung aus Stuttgart nicht hervorgeht.

Unterstellen wir also einmal, dass der Fahrer bei der Stern-tv-Fahrt – wie früher die  wahren Meister bei den Eco-Spritfahrten in Monza – über einen ganz sensiblen Gasfuß verfügte. Und doch kommen unwillkürlich Erinnerungen an den November 2005 hoch, als ebenfalls im Stern-tv über das neue Abstands-Radarsystem der damaligen Mercedes S-Klasse per Livetest berichtet wurde. Ohne alte Wunden aufreißen zu wollen, kosteten nicht ganz wahrheitsgetreue Angaben über den Testverlauf den damaligen Chefreporter von Auto-Bild, Michael Specht, den Job. (Auto-Reporter.NET/ Hans H. Grassmann)

Schlagwörter:

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Die Seite "Kommentar: Wie glaubwürdig sind Verbrauchswerte ?" wurde am 3. Juni 2013 veroeffentlicht und am 3. Juni 2013 zuletzt aktualisiert.