
Wolfram Riedel: Foto: Auto-Reporter.NET
Wo sind wir bloß hingeraten! Die alltägliche Lektüre einer einzigen Tageszeitung genügt, um zu befürchten, dass wir uns einem Ausnahmezustand nähern. Deutschland droht nicht nur die Pleite in Raten. Anderes Schlimmes ist bereits an der Tagesordnung, gewaltsame Konfliktbereinigung im Kleinen sozusagen; Mord und Totschlag inbegriffen. Kommentare zum Geschehen sind oft Plädoyers, die so klingen, als seien im Grund nicht die Opfer, sondern die Täter zu bedauern. Herhalten als Ursache der Entgleisung muss immer wieder auch das „schwierige soziale Umfeld“. Wer aber gestaltet solches Umfeld, lässt es zu?
Viele Probleme im Lande haben mit Engelsgeduld, unendlicher Nachsicht und fragwürdigem Verständnis gegenüber gesetzwidrigem Verhalten zu tun, das schon im Ansatz geahndet werden müsste. Aber nicht nur mit erhobenem Zeigefinder. Fehlverhalten im Straßenverkehr zählt durchaus dazu.
Da beklagt der Berliner Senat, es gebe noch immer zu viele schwere Unfälle auf der Straße. Sein „Verkehrssicherheitsprogramm 2020“, gerade in Arbeit, widme sich vor allen den am stärksten gefährdeten Gruppen, den Fußgängern und Radfahrern. In Tempo 30 für immer mehr innerstädtische Bereiche sehen die Berliner Verkehrsplaner ein Allheilmittel gegen den Fußgänger- und Radfahrertod. Und dazu – als begleitende Maßnahme – mehr und modernere Blitzer. Zügigeres Fahren können die zwar nicht verhindern, aber sind ein Segen für klamme kommunale Kassen.

Nicht die Infrastruktur allein kann Unfälle verhüten. Es geht auch ums Verhalten der Verkehrsteilnehmer. Dazu zählen nun einmal auch Fußgänger und Radfahrer. Foto BMU/Auto-Reporter.NET
Etwas Schlaues gesagt hat die Sprecherin des Stadtentwicklungssenators, Daniela Augstein: „Es geht nicht nur um Infrastruktur, sondern um Verkehrsverhalten“. Richtig! Denn „von den 29 Fußgängern, die im vergangenen Jahr im Berliner Straßenverkehr tödlich verunglückt sind, haben laut Polizei 25 ihren Unfall verursacht oder mitverursacht“, wie die Berliner Zeitung festhält.
Schon befasst sich der Berliner Senat mit dem Vorschlag, Bürgersteige „bis an die Fahrbahnkante vorzuziehen“ und argumentiert, Fußgänger könnten dank sogenannter Gehwegvorstreckungen „den Verkehr besser beobachten“.
Reiner Aktionismus! Er passt ins Deutschland-Bild. Immer einfältigere Maßnahmen, neue Vorschriften und empfindlichere Strafen sollen dort Ordnung herstellen, wo sie auf bestem Weg ist, gänzlich abhanden zu kommen.
Dabei wäre alles so einfach! Für mehr Sicherheit auf den Straßen brauchte nur die Straßenverkehrsordnung konsequent durchgesetzt zu werden. In ihr steht schließlich punktgenau, wie sich Verkehrsteilnehmer zu verhalten haben – als Fußgänger, Radfahrer, Auto- oder Motorradfahrer. Mit einer aufgefrischten Kenntnis der StVO in neuester Fassung wäre sicher schon viel erreicht. Noch mehr aber damit, wenn Ordnungshüter ihre Aufmerksamkeit nicht regelmäßig zuerst den Motorisierten und deren Portemonnaie widmeten, während sich möglicherweise in unmittelbarer Nähe erwachsene Radfahrer erst auf dem Gehweg durch Fußgänger schlängeln, um an der nächsten Einmündung ganz selbstverständlich Ampelrot zu ignorieren und ungestraft davonzukommen. Alltägliches Fehlverhalten von Fußgängern kann mit regellosem Radfahren durchaus mithalten. Doch freiwillig segeln einfältige Radfahrer nun einmal höchst selten in die Arme eines Polizisten. (Auto-Reporter.NET/Wolfram Riedel)