Bei dem vorläufigen Ergebnis der vom Kraftfahrtbundesamt Flensburg (KBA) in Auftrag gegebenen Tests, ob das neue, von Brüssel für alle Neuwagen vorgeschriebenen Kältemittel R1234yf gefährlich ist oder nicht, fühlt man sich an Radio Eriwan erinnert: Im Prinzip ja, aber…..
Von Hans H. Grassmann

Hans H. Grassmann.
Losgelöst von der gegenwärtigen Diskussion, ob das KBA bzw. der TÜV Rheinland die Tests wirklich optimal durchgeführt haben, kommen die Flensburger bei der Prüfung im Sinne des Produktsicherheitsgesetzes (ProdSG) zu dem Ergebnis, das sich bei den vier getesteten Fahrzeugen (Hyundai. Mercedes-Benz, Opel, Subaru) „keine hinreichenden Nachweise einer ernsten Gefahr“ ergeben hätten. Daher werde das Klimaanlagen-Kühlmittel R 1234yf nicht als Gefahr für den Straßenverkehr eingestuft.
Was immer nun eine „ernsthafte Gefahr“ bedeutet, sei einmal dahin gestellt, doch sei ein Vergleich mit den Crashtest-Normen erlaubt. Erweisen sich inzwischen die meisten Autos bei einem Frontalaufprall mit der gegenwärtig landläufigen Überlappung von 40 Prozent als relativ stabil, sieht es nach den neuen Crash-Anordnungen der amerikanischen IIHS mit einer (realistischeren) Überlappung von nur 25 Prozent ganz anders – nämlich teilweise verheerend – aus. Ist das neue Kühlmittel also nur bei „Norm-Unfällen“ sicher?
Im Prinzip ja, muss geantwortet werden, aber… Denn bei weiteren Versuchen – unter anderem wurde die ursprüngliche Crashgeschwindigkeit von 40 km/h angehoben – habe sich laut KBA in zwei Fällen Fluorwasserstoff gebildet. In einem Fall sei es zu Entflammungen gekommen. „Diese Ergebnisse“, so Flensburg, „ weisen auf Risiken beim Einsatz des neuen Kältemittels hin.“
Kein Wunder, dass sich bei einem solchen Statement Mercedes-Benz bestätigt sieht und das neue Kältemittel weiterhin nicht verwenden will. „Nach Vorliegen der aktuellen Testergebnisse lässt sich ein Sicherheitsrisiko durch den Einsatz von R1234yf nicht ausschließen. Im Sinne unserer Kunden halten wir deshalb an der Entscheidung zur Entwicklung und schnellstmöglichen Einführung von CO2-Klimaanlagen fest“ kommentieren die Stuttgarter.
Und wie geht es weiter? Nun, da kommt dem KBA nach dem Vorbild etlicher Gerichte die Institution Europäische Union zu Hilfe. Wie viele Richter einen kniffligen Fall zum Europäischen Gerichtshof zur Entscheidung weiterleiten, wird auch die Flensburger Behörde im Herbst ihren Abschlussbericht an die EU-Kommission weiterleiten. Mit der Empfehlung, weitere Untersuchungen durchzuführen, um die potenziellen Risiken der Kältemittels besser bewerten zu können.
Was nun – sind deutsche Technische Überwachungsvereine und ihre Spezialisten nicht in der Lage ein eigenes, selbständiges Urteil zu fällen. Oder – wenn sie unter Zeitdruck gestanden haben – einfach zu sagen: Sorry, wir benötigen mehr Zeit. Oder ist das Ganze eine Hinhalte-Taktik, bis die Serienreife der CO2-Klimaanlagen in Sicht ist.
So viel Zeit wird Brüssel aber voraussichtlich nicht einräumen. Zum einen will man im September entscheiden, ob der Verkaufsstopp von einigen Mercedes-Modellen in Frankreich rechtens ist, zum anderen von EU-Ingenieuren bewerten lassen, ob die inzwischen verschiedenen Untersuchungs-Ergebnisse über R1234yf sauber und nachvollziehbar durchgeführt wurden. Eigene Testversuche werden dagegen von der Kommission bislang abgelehnt – traut man das den eigenen Spezialisten nicht zu? Oder will man letztendlich nicht den möglichen Schwarzen Peter in der Hand halten, wenn doch mal bei einem Unfall das neue Kältemittel zur Explosion führt? Verordnungen über die erlaubte Form von Gurken ist natürlich einfacher zu handeln. (Auto-Reporter.NET/Hans H. Grassmann)