Wer bei Geldanlagen auf Nummer sicher gehen will, wenigstens einigermaßen, der überlässt sein Kapital nicht einer einzigen Bank oder einem einzigen Fonds, um das schleichende Verlustrisiko möglichst klein zu halten. Von vergleichbarer Vorsorge kann mit Blick auf die Wirtschaftsbeziehungen zwischen Deutschland und China nicht die Rede sein. Im Gegenteil. Nach China zu exportieren oder gleich dort vor Ort zu produzieren, avancierte gewissermaßen zum

Wolfram Riedel. Foto: Auto-Reporter.NET
Einmaleins erfolgreicher Unternehmensphilosophie. Aufzugehen scheint die Rechnung im Großen und Ganzen auch für deutsche Unternehmen. Gäbe es den gewaltigen chinesischen Nachholbedarf an Autos nicht, wäre es etwa um die jährlichen Bilanzen deutscher Automobilhersteller weit weniger gut bestellt. Aber wie lange kann das so gehen? – Anhaltender unternehmerischer Erfolg lässt leicht vergessen, mit welchem Partner man sich eingelassen hat. Die Uhren in der Volksrepublik, in dem die Kommunistische Partei Chinas mit starker Hand regiert, ticken anders als Gesellschaften, in der Demokratie und freie Marktwirtschaft zu Hause sind.
Auch wenn es um wirtschaftliche Geschicke des Landes geht, hat die KP Chinas die Finger im Spiel. Nachdem kapitalistische Schützenhilfe Chinas Volkswirtschaft in historisch kurzer Zeit auf Augenhöhe mit den USA gehievt hat, wäre es fatal, das angesichts erzielter Fortschritte explodierende Selbstbewusstsein der Chinesen zu ignorieren. Es trägt zu nüchterner Betrachtung der Dinge bei, sich vor der Kulisse des bevölkerungsreichsten Landes der Erde zu vergegenwärtigen, dass China die weltweit größten Devisenreserven hat. Eine Volksrepublik als wichtigster Auslandsgläubiger der USA! China kann sich im Lichte eines globalen Mammutexporteurs und des größten Industriestandorts sonnen. Von der militärischen Stärke Chinas ganz zu schweigen.
Dass der Boom des Wirtschaftswachstums mit Siebenmeilenstiefeln nicht anhält, zeichnet sich ab. Das Land beschäftigen auch andere Probleme, die sich bislang hinter der Kulisse des schier unaufhaltsamen Aufstiegs zur neuen Weltmacht verbargen. Sprengstoff sammelt sich, weil Chinas Bevölkerung höchst unterschiedlich vom wundersamen wirtschaftlichen Aufschwung profitiert, der nicht zuletzt dem Heer der Wanderarbeiter zu verdanken ist, die schlecht bezahlt werden und unter menschenunwürdigen Bedingungen leben. Nachdenklich stimmt auch das: Immer wieder geben Vorfälle in China Anschauungsunterricht dafür, dass von Meinungs- und Pressefreiheit keine Rede sein kann.
Beim gerade zu Ende gegangenen Parteitag der Kommunistischen Partei Chinas gab es trotz des vorgenommenen Führungswechsels „aus Altersgründen“ keine Anzeichen dafür, dass sich die Partei einfach den Launen des kapitalistischen Wettbewerbs hingibt, die womöglich auch die politisch-ideologische Substanz aufweichen. „Wir werden nie ein westliches politisches System kopieren“, wird der scheidende Parteichef Hu Jintao zitiert. Damit sind die Fronten klar, innerhalb derer sich auch die wirtschaftlichen Spielregeln in China bewegen dürfen. Die Partei will zu allem ihren Segen geben. Was aber dann, wenn die Funktionärselite die Zeit für gekommen hält, dass Investoren – aus welch vorgeschobenen Gründen auch immer – ihre Sachen packen? – Weil man sie einfach nicht mehr braucht. Schließlich haben sie den Chinesen direkt vor Ort gezeigt, wie man Wettbewerbs- und Exportfähiges produziert, beispielsweise dementsprechende Autos oder Flugzeuge baut.
In sämtlichen Produktionsbereichen, deren Erfolg von technologischem Vorsprung abhängt, haben die Chinesen jahrelang entsprechendes Know-how aufgesogen. Das Ziel scheint klar zu sein: Immer mehr chinesische Waren für den Weltmarkt. Den Weg dorthin ebnet nicht zuletzt, unliebsamen Wettbewerbern, ausländischen Produzenten, die ins China-Geschäft investierten, das Leben schwer zu machen oder aber gleich zum Boykott importierter Waren aufzurufen. Derart ideologisch organisierte „Abneigung“ chinesischer Kundschaft haben jüngst japanische Autos zu spüren bekommen, nachdem China und Japan in heftigen Streit um eine Inselgruppe geraten waren.
In einer Korrespondenz aus Peking warnt die „Frankfurter Allgemein Zeitung“: „Deutschland, dessen Wirtschaft zunehmend von China abhängt, ist für Erpressungsversuche besonders anfällig.“ Das Blatt urteilt, es mag sein, dass sich China und die USA, die „nackten Wirtschaftsdaten“ betreffend, immer näher kommen. Die Systeme und Werte seien aber „noch immer so weit voneinander entfernt wie vor zwanzig Jahren“. Deutschland solle sich gut überlegen, welche Ordnung ihm näher steht.
Klug sein kann nicht, alles auf die chinesische Karte zu setzen. (Auto-Reporter.NET/Wolfram Riedel)