Fahrbericht Jaguar XF 3.0 AWD: Vier Pfoten nur bei Bedarf

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Jaguar XF 3.0L AWD Allradler mit 340 PS

Beide sind urbritisch und seit einiger Zeit unter einem indischen Dach vereint: Jaguar und Land Rover. Seit die Motoren des einen schon seit längerem die sportlicheren Modelle des anderen beflügeln dürfen, war es eigentlich nur eine Frage der Zeit, bis der Geländewagenspezialist dem Sportwagenexperten im Gegenzug den Allradantrieb spendiert. Ganz so einfach eins zu eins ließ sich das 4×4-System natürlich nicht übertragen, aber Land Rover leistete Jaguar natürlich bei den neuen AWD-Modellen entscheidende Entwicklungshilfe. Dazu gibt es exklusiv einen neuen 3,0-Liter-V6-Motor mit Kompressor, der vom bekannten V8 Supercharged abgeleitet wurde.

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Das Interieur des Jaguar XF 3.0L AWD mit Navi und Leder Jaguar XF 3.0L AWD Allradler mit 340 PS Jaguar XF 3.0L AWD bei Tests im Regen Jaguar XF 3.0L AWD HeckansichtAuch Jaguar kann sich – bei allem Leistungsanspruch – dem Trend zu sparsameren Motoren nicht verschließen. Nach den Dieselmotoren folgt nun ein Downsizing-Benziner, der den V8-Sauger ersetzt und mit 250 kW / 340 PS immer noch mehr als gut im Futter steht. Entscheidender als die Liter-Leistung von 113,5 PS ist aber das Drehmoment. Die maximal 450 Newtonmeter zwischen 3500 und 5000 Umdrehungen in der Minute sorgen für einen beeindruckenden Punch, der dank des Allradantriebs ohne spürbare Schlupfverluste sicher auf die Straße gebracht wird. Dabei setzt Jaguar weiter auf größtmögliches Sport-Appeal: Auf trockenem Asphalt darf der XF 3.0 AWD weiterhin, wie seine Geschwister, an den Hinterläufen seine Muskeln spielen lassen. Lediglich auf den ersten Metern und bis zu einer Geschwindigkeit von etwa 10 km/h überträgt die Katze im Normalfall ihre Kraft auf alle vier Pfoten – oder eben nur bei Bedarf, wenn es schwindende Traktion erfordert. Bis zur Hälfte des Drehmoments landet dann im Bedarfsfall auf der Vorderachse. Im Winter lässt sich das Verteilergetriebe aber auch gleich so einstellen, dass 30 Prozent der Antriebskraft an der Frontachse landen. Zudem bietet das 4×4-System die Möglichkeit, das Drehmoment auch räderweise pro Achse zu verteilen.

Keine Frage, nicht nur im Winter steigert Allradantrieb das Sicherheitsgefühl, sondern immer auch den Fahrspaß. Und von dem bietet ein Jaguar per se schon jede Menge. Wer befürchtet, ein schmaleres Triebwerk schmälere auch das Vergnügen zumindest ein wenig, darf sich im Fall des neuen V6 schnell eines Besseren belehren lassen. Der Kompressormotor schiebt den XF in 6,4 Sekunden auf Tempo 100 und regelt gentlemanlike erst bei 250 km/h ab. Schon im Normalmodus sorgt die vorbildlich und extrem unauffällig arbeitende Acht-Stufen-Automatik von ZF für schnellen Vortrieb und bleibt in der Betriebsart Sport einen Gang weiter unten, um das Drehzahlniveau ein paar hundert Touren höher zu schrauben. Richtig krachen lassen darf es der Fahrer denn im nochmals gesonderten Dynamik-Modus, der über eine Taste mit Zielflaggen-Symbol aktiviert wird – dann überlasst die Automatik die Schaltvorgänge einzig und allein den Befehlen an den Schaltwippen hinter dem Lenkrad.

Wer das Gaspedal kräftig durchtritt, bringt den Jaguar förmlich zum Fauchen, ansonsten huscht die Katze auf leisen Pfoten über die Autobahn. Dort verwöhnt die Limousine ihre Insassen mit dem typisch britischen Ambiente der edlen Ausstattung, und dort lässt sich bei Reisegeschwindigkeiten von 140 km/h bis 150 km/h der Verbrauch auch annähernd an den Normwert von 9,8 Litern auf 100 Kilometer heranführen. Bei ambitionierterer Gangart dürfen es auf der Landstraße aber auch schon einmal zwölf oder 14 Liter sein. Im Großstadtdschungel hält die serienmäßige Stopp/Start-Automatik den noch größeren Durst weitestmöglich in Grenzen.

Äußerlich gibt sich die Allrad-Variante nur mit dem schlichten AWD-Schriftzug am Heck zu erkennen. Der Rest der Änderungen – und es sind nicht wenig – stecken unter dem Blech. Dazu gehören unter anderem die zusätzliche Kardanwelle und der modifizierte Hilfsrahmen im Vorderbau, ein neu verlegter Auspuffstrang und die geänderte hintere Kardanwelle. Das Steuergerät des Motors wurde für den Allradantrieb neu programmiert, zudem wurde die Federung angepasst.

Es sind die kleinen Gesten, die einen Jaguar nach wie vor zu einem besonderen Auto machen. Dazu zählen neben den edlen Materialien etwa die Lüftungsausströmer für die Klimaanlage, die erst nach dem Start hinter einer sich öffnenden Blende auftauchen und der Drehknopf für die Automatik, der ebenfalls im Ruhestand bündig mit der Mittelkonsole abschließt und erst nach Betätigen der Zündung ausfährt. Nur zwei Dinge darf ein XF-Besitzer nicht erwarten: eine gute Sicht nach hinten (dafür gibt es die Rückfahrkamera) und einen bequem zu beladenen Kofferraum (dafür ist der Ausschnitt zu klein).

Wie sagen die Briten doch so schön: Nobody is perfect. Mit dem Allradantrieb aber hat Jaguar auf jeden Fall den Markenanspruch weiter perfektioniert. (ampnet/jri)

Von Jens Riedel

Technische Daten Jaguar XF 3.0 AWD

Länge x Breite x Höhe (in m): 4,96 x 1,88 x 1,48
Motor: 6-Zylinder-Benziner, 2995 ccm, Kompressor
Leistung: 250 kW / 340 PS bei 6500 U/min
Maximales Drehmoment: 450 Nm von 3500 bis 5000 U/min
Verbrauch (Schnitt nach EU-Norm): 9,8 Liter/100 km
Kohlendioxidemission: 229 g/km (Euro 5)
Beschleunigung 0 auf 100 km/h: 6,4 Sekunden
Höchstgeschwindigkeit: 250 km/h (elektronisch abgeregelt)
Leergewicht / Zuladung (maximal): 1880 kg / 550 kg
Kofferraumvolumen: 550 – 1675 Liter (ohne Reserverad)
Basispreis: 57 000 Euro

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Die Seite "Fahrbericht Jaguar XF 3.0 AWD: Vier Pfoten nur bei Bedarf" wurde am 18. Mai 2013 veroeffentlicht und am 1. Dezember 2013 zuletzt aktualisiert.