Mit Allrad auf dem Kamm’schen Kreis überleben

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Geländewagen Suzuki Jimny mit Allradantrieb im Winter

Von Axel F. Busse

Mit knapp 25 000 neu zugelassenen Autos (bis Ende November) gehört der japanische Hersteller Suzuki nicht gerade zu den großen Spielern auf dem deutschen Pkw-Markt. Doch wenn es um Traktion geht, ist die Marke ganz vorn dabei: Von acht derzeit angebotenen Modellen haben nur zwei keinen Allradantrieb. So kommt es, dass die kleine Marke zu den Anbietern gehört, die höchste prozentuale Anteile bei der Allrad-Ausrüstungsquote erzielen.

Aktuelle Allrad-Modelle von Suzuki

Allradfahrzeug Suzuki Jimny fährt auf Schnee

Suzuki Jimny.

Geländewagen Suzuki Jimny mit Allradantrieb im Winter

Suzuki Jimny.

Mittelklasselimousine Suzuki Kizashi mit Allradantrieb

Suzuki Kizashi.

Der Crossover Suzuki SX4 S Cross im Winter auf Schnee

Suzuki SX4-S Cross.

Dieses Jahr wurden bisher 44 Prozent aller Suzuki-Fahrzeuge mit 4×4-Antrieb an die Käufer ausgeliefert. Zum Vergleich: Konkurrent Mitsubishi, der in Deutschland in der Vergangenheit auf vergleichbare Absatzzahlen wie Suzuki kam, verkaufte dieses Jahr hierzulande nur 29 Prozent seiner Fahrzeuge mit Allradantrieb. Und Audi, wo mit großem Aufwand das „Quattro“-Konzept vermarktet wird, kam auf 38 Prozent.
Nicht nur die Ausrüstungsquote ist hoch, Suzuki leistet sich noch dazu einen besonderen Luxus: Keines der eingesetzten Allradsysteme gleicht dem anderen, gerade ist mit dem neuen Modell SX4 S-Cross die fünfte Variante vorgestellt worden. Von der betagten Wühlmaus Jimny bis zum neuesten Crossover-Modell ist die 4×4-Technik immer wieder modifiziert worden. Solch eine technische Vielfalt ist bei keinem anderen Anbieter zu finden.

Gerade im Winter bieten zwei angetriebene Achsen Vorteile, auch wenn man nicht abseits der Straßen unterwegs sein will. Am deutlichsten wird das im Vergleich zum konventionellen Heckantrieb. Der stößt bei Schnee, Matsch oder Reifglätte schnell an seine Grenzen, denn das größte Einzelgewicht lastet mit dem Motor auf der Vorderachse, während die hinteren Räder es vor sich her schieben müssen. Soll es eine Steigung hinauf gehen, wird das Vorhaben umso schwieriger.

Am Rand gibt’s kein Halten mehr

Viele Serien-Pkw verfügen deshalb über eine elektronische Traktionskontrolle, die aufgrund von Drehzahlunterschieden das Durchdrehen eines Rades („Schlupf“) erkennt und das Drehmoment reduziert oder dorthin leitet, wo der Kontakt zwischen Reifen und Fahrbahn noch so gut ist, dass Kraft übertragen werden kann. Die physikalischen Abläufe zwischen Rad, Straße und Bewegungsrichtung sind beim Geradeausfahren noch einigermaßen überschaubar. Richtig kompliziert wird es, wenn Kurven gefahren werden sollen. Dann müssen die Reifen auch noch Seitenführungskräfte übertragen.

Dass dies mit vier angetriebenen Rädern leichter bewerkstelligt werden kann, als mit zwei, ist leicht einzusehen. Zum besseren Verständnis der dynamischen Kräfte und ihrer Wirkungen wird Fahrschülern gern der so genannte „Kamm’sche Kreis“ gezeigt. Pfeile kennzeichnen Vortrieb oder Bremswirkung, die Fliehkraft zieht das Fahrzeug zum Außenrand der Kurve. Der Rand des Kreises markiert die Grenze, an der die Reifen das Auto gerade noch auf dem eingeschlagenen Kurs halten können.

Robust und technisch simpel ist ein Antriebskonzept, das durch Zuschalten der Vorderachse aus einem heckgetriebenen ein Allradfahrzeug macht. So ist es beim Suzuki Jimny, wo der Fahrer manuell bestimmt, wann mit einer Klauenkupplung Vorder- und Hinterachse starr miteinander verbunden werden sollen. Für eine trockene Straße ist dieses Prinzip aber nur bedingt geeignet, denn Drehzahlunterschiede der Räder, wie sie etwa durch unterschiedliche Kurvenradien an Vorder- und Hinterachse entstehen, können nicht ausgeglichen werden. Die Reifen beginnen zu „radieren“.

Permanent in Aktion ist der 4×4-Antrieb beim Suzuki Grand Vitara, wo im Normalfall 53 Prozent des Drehmoments an die Hinterachse geleitet werden. Mittels eines Sperrdifferenzials kann die Antriebskraft starr zu je 50 Prozent auf die Achsen verteilt werden („Lock“-Modus). Eine Geländereduzierung erhöht zusätzlich die Traktion in unwegsamem Terrain. Doch die Offroad-Fähigkeit nutzen nur wenige Besitzer von SUV und Geländewagen. Wichtiger ist, dass ein fein dosiertes Zusammenspiel von Antiblockiersystem, Stabilitätsprogramm und elektronischer Bremskraftverteilung das Auto im Grenzfall in der Spur hält.

Elektronik verteilt Kraft nach Bedarf

Statt eines Mittendifferenzials wie der Grand Vitara nutzt der Suzuki Swift 4×4 eine so genannte Viskokupplung. Sie gleicht nicht nur die bei schnellen Kurvenfahrten im Antriebsstrang auftretenden Verspannungen aus, sondern ist auch kleiner und leichter als ein Mittendifferenzial, so dass sie für einen Kleinwagen wie den Swift geeigneter ist. Das Bauteil besteht aus zwei Sätzen ringförmiger Metallscheiben, die in einem Ölbad laufen und ist nicht größer als eine Konservendose.

Auf ein technisch anspruchsvolles Antriebssystem können die Suzuki-Modelle SX4 und Kizashi zurückgreifen. Der so genannte intelligente Allradantrieb („i-AWD“) verbindet die Vorteile einer rein frontgetriebenen Fortbewegung (Verbrauchsreduzierung) mit der Möglichkeit, das Drehmoment bedarfsgerecht zwischen Vorder- und Hinterachse stufenlos hin- und herzuleiten – je nachdem, wo es gerade an Traktion fehlt. Sobald beispielsweise die ABS-Sensoren an der Vorderachse Schlupf erkennen, wird binnen eines Sekundenbruchteils und über die zwischen den Achsen sitzende Lamellenkupplung Kraft zur Hinterachse geleitet. Vom reinen Frontantrieb bis zu einer 50:50 Verteilung ist alles möglich.

Die vorerst letzte Ausbaustufe stellt das „Allgrip“-System im neuen Suzuki S-Crosser dar. Die stufenlose und bedarfsgerechte Verteilung der Antriebskraft zwischen den Achsen wird ebenfalls durch eine Lamellenkupplung gewährleistet, die hier aber über einen Elektromagneten angesteuert ist. Ergänzt wird diese Steuerung durch eine vom Fahrer zu betätigende Sperrmöglichkeit. Auf losen Untergrund oder im Gelände kann er für eine konstante Verteilung von jeweils 50 Prozent der Antriebskraft auf Vorder- und Hinterachse sorgen. Zusätzlich ist das System mit ESP und Traktionskontrolle vernetzt, so dass deren Sensoren die Drehmomentanforderungen oder Bremseingriffe der Griffigkeit des Untergrundes entsprechend regeln können.

Dass Allradantrieb die Verwendung von Winterreifen überflüssig macht, ist ein Trugschluss. Das gilt auch für die Erzeugnisse von Suzuki, wo der deutsche Importeur bis Ende November schon 1500 S-Crosser absetzen konnte. Erst das grobe Profil und die vielen Lamellen der auf verschneite oder vereiste Straßen abgestimmten Pneus ermöglicht es, die Vorteile des 4×4-Systems auch auf den Boden zu bringen. Leichteres Anfahren und Spurtreue in glatten Kurven sind nur zu bekommen, wenn die Räder genügend Grip haben. Wer in den Winterurlaub aufbricht, sollte im Gepäckraum für alle Fälle eine Ecke für die Schneeketten reservieren. (ampnet/afb)

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Die Seite "Mit Allrad auf dem Kamm’schen Kreis überleben" wurde am 19. Dezember 2013 veroeffentlicht und am 22. Dezember 2013 zuletzt aktualisiert.