Exklusiv: „Ein Turbolader ist eigentlich unzerstörbar“

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Von Thomas Lang

„Downsizing“ ist das aktuelle Zauberwort, mit dem Motorenentwickler auf der ganzen Welt ihre Bemühungen umschreiben, wirksame Verbrauchssenkungen zu realisieren. Um den Leistungsverlust zu kompensieren, der aus verringertem Hubraum oder reduzierter Zylinderzahl resultiert, setzen die Ingenieure auf Aufladung mit einem Turbolader. Viele potentielle Kunden misstrauen dem Trend, weil sie um die Haltbarkeit des Laders fürchten. Doch der Fachmann beruhigt. „Ein Turbolader ist eigentlich unzerstörbar“, stellt Michael Dohmann, Geschäftsführer bei Struck-Turbotechnik zu Pulheim bei Köln fest. Seit zweieinhalb Jahrzehnten sind die Rheinländer für Reparaturen oder Aufarbeitungen von Abgasturbinen ein erfolgreicher Spezialist.

1973er BMW 2002 Turbo.

1973er BMW 2002 Turbo.

Porsche sorgte 1975 für den Durchbruch der Turbotechnik im Serienbau von Personenwagen beim Porsche 911 Turbo. Der luftgekühlte Sechszylinder im Heck des Sportwagens leistete dank Aufladung mit dem Abgasturbolader 260 PS. Zwei Jahre zuvor hatte bereits BMW für Furore mit dem 2002 Turbo gesorgt, dem ersten Serienauto mit Ladertechnik, die die kompakte Limousine mit 170 PS zum Porscheschreck adelte.

Doch wer hat´s erfunden? Weder die Schwaben noch die Münchner. Es war tatsächlich ein Schweizer. 1925 baute der eidgenössische Ingenieur Alfred Büchi den ersten funktionsfähigen Motor mit Turboaufladung. Er steigerte mit dieser Maßnahme die Leistung des Basismotors um rund 40 Prozent. Seit den Pioniertagen von Gottlieb Daimler und Carl Benz träumten Ingenieure davon, durch Aufladung Verbrennungsmotoren mehr Leistung zu entlocken. Im Grunde ein einfaches chemisches Rechenexempel. Je mehr Luft in den Verbrennungsraum gelangt, desto mehr Sauerstoffmoleküle können mit den Kohlenwasserstoffmolekülen, aus denen Kraftstoff im wesentlichen besteht, die erforderliche Verbindung für ein zündfähiges Gemisch eingehen. Somit steigt die Leistung. Da die Menge der Luftzufuhr durch den Gasdurchsatz eines Saugmotors physikalisch begrenzt ist, hilft nur zusätzlicher Druck. Sozusagen Zwangsbeatmung via Lader.

Turbolader mit variabler Geometrie von Porsche.

Turbolader mit variabler Geometrie von Porsche.

Die Verbindung von Downsizing und Turboaufladung lässt zunehmend kleinvolumige Leistungsriesen entstehen. So entwickelt der neue 1,4-Liter von Volkswagen bis zu 98 kW/133 PS pro Liter Hubraum. Beim Polo 1.4 TSI „GTI“ resultieren aus 1390 ccm 132 kW/180 PS. Das entsprach vor 20 Jahren dem Leistungsangebot von V6-Motoren mit drei Liter Hubraum. Das Datenblatt des flotten Polos weist einen Normverbrauch von 5,9 Liter Super aus.

Den Königsweg der Ladertechnik bestritten lange die mechanischen Lader oder Kompressoren, die jedoch den Nachteil aufweisen, einen erklecklichen Teil der Motorleistung für den eigenen Antrieb abzuzweigen. Das verkneift sich der Turbo, denn ihm reicht die Kraft des Abgasstroms als Antriebsenergie. Die beschleunigt ein kleines Turbinenrad, die die Kraft über eine Welle auf ein zweites Rad überträgt, das Frischluft verdichtet und zusätzlich in die Brennräume presst. In der Regel geschieht das mit rund 0,8 bar Druck.

Den Nachteil des hohen Verbrauchs, der Turbo-Benzinern lange anhaftete, resultierte aus den hohen Temperaturen, mit denen der bei hoher Last rotglühende Lader die Luft belastete. Um das Innere des Brennraums zu kühlen, musste die Gemischaufbereitung die Luft-/Kraftstoffmischung „anfetten“. Das heißt mehr Kraftstoff zuführen, als für die Verbrennung eigentlich erforderlich ist. Bei den modernen kleinvolumigen Motoren mit Aufladung ist das kein Thema mehr, weil dank Ladeluftkühler und Einlassseiten mit eigenem Kühlkreislauf das Problem der hohen Temperaturen als gelöst gilt.

Unter Volllast, leistet ein Lader rund 200 000 Umdrehungen pro Minute. Der Smart Benziner mit seinem Dreizylinder reizt das Spektrum mit 280 000 Umdrehungen weiter aus. Bei solchen Drehzahlen erreichen die Außenkanten der Laderschaufeln Geschwindigkeiten von 1200 bis 1500 Kilometer in der Stunde.

Richtig gewartet und behandelt steht der Lader problemlos die Lebensdauer des Motors durch. Freilich nur dann, wenn die Gefahren für das komplexe mechanische Bauteil reduziert sind. Der Profi zählt die häufigsten Ausfallursachen schnell auf: Fremdkörperschäden am Verdichter (Luftseite) und an der Turbine (Abgasseite). Solche Schäden sind deutlich an den Rädern der Turbine zu erkennen. Verschmutztes und altes Motoröl oder Ölfilter sorgen zu Riefenbildung der Turbolader-Lagerung.

Störungen in der Ölversorgung können zu Überhitzung der Lagerung bis hin zum Totalausfall führen, ebenso wie Ölverdünnung durch Kraftstoff als Ergebnis einer falschen Motoreinstellung oder gar durch Kühlwasser im Öl. Wird der Motor nach hoher Belastung ohne Nachlauf abgestellt droht Überhitzung, die zu hohe Abgastemperatur im Turbinengehäuse auf das Lagergehäuse des Turboladers überträgt.

Entstehen in der Peripherie eines Motors technische Probleme, leidet im Ernstfall auch der Lader. Ist beispielsweise der Luftfilter verschmutzt oder das Luftfiltersystem beschädigt, kann der Lader Motoröl ansaugen. Ein defekter Katalysator oder beschädigte Rußfilter können den Gegendruck in der Abgasanlage für den Lader bedrohlich erhöhen. Zu den weiteren Problemfeldern zählen unter anderem: Undichtigkeiten oder Beschädigungen in den Druck- und Saugleitungen, Verstopfungen oder Undichtigkeiten in der Ölzufuhr oder unzureichende Ölversorgung, eine verstopfte Entlüftung des Kurbelgehäuses oder Verschleiß bei Ventilführung, Kolbenringen oder Zylinderlaufbuchsen.

Doch das gesamte Gefährdungspotential für einen Lader resultiert nur aus vernachlässigter oder unsachgemäßer Wartung des Motors. (ampnet/tl)

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Die Seite "Exklusiv: „Ein Turbolader ist eigentlich unzerstörbar“" wurde am 27. Dezember 2013 veroeffentlicht und am 27. Dezember 2013 zuletzt aktualisiert.